Citatio: M. Dietrich; O. Loretz; G.G.W. Müller, hethiter.net/: Alalach-Archiv (2022-02-18)
Im Sommersemester 1963 haben wir an dem Seminar über die alphabetisch-ugaritischen Texte der neuesten Publikation von Ch. Virolleaud, „Textes en cunéiformes alphabétiques des archives est, ouest et centrales“ (Mission de Ras Shamra VII, Paris 1957) aus den Ausgrabungs-Kampagnen 15-17 (1951-1953) im Palastareal teilgenommen, das Prof. Wolfram von Soden seinen fortgeschrittenen Studierenden als Ergänzung ihres Studiums der Altorientalistik angeboten hatte. Entsprechend den Interessen des Seminarleiters kamen dabei wiederholt die linguistischen und kulturellen Parallelen zur Sprache, die zwischen den Texten der Palastarchive Ugarits aus dem 13. Jh. und denen aus den Palastarchiven von Alalach/Tell Açana des 14. Jh. (= Alalach IV) bestanden, die D.J. Wiseman 1953 in „The Alalakh Tablets“ (Occasional Publications of the British Institute of Archaeology at Ankara 2, London) zugänglich gemacht hatte. Das hat uns angeregt, einzelne Beispiele zu überprüfen und die Bewandtnis ihrer Parallelität zu erforschen. Dabei fiel uns alsbald auf, daß der Wortlaut der Texte, wie ihn Ch. Virolleaud und D.J. Wiseman in Autographie, Umschrift und teilweise sorgfältiger Diskussion vorgelegt hatten, häufig nicht zuverlässig genug war, eine Antwort auf die linguistischen und kulturgeschichtlichen Fragen zu geben, die wir an sie hatten. Die Überprüfung einzelner Texte aufgrund von Photographien und/oder Autopsie im British Museum, London, und im Louvre, Paris, ergab, daß dies auf eine mitunter fehlerhafte Wiedergabe ihres Wortlauts zurückzuführen war. Das führte uns zum Entschluß, eine Kollation aller Tontafeloriginale in den Museen durchzuführen, bevor wir uns weiterführenden Arbeiten der Textinterpretation widmeten. Wie es sich bald zeigen sollte, war dieser Entschluß richtig. Da wir uns 1963 schon darauf verständigt hatten, unsere gemeinsamen Forschungsaktivitäten auf den Wortschatz der alphabetischen Texte aus Ugarit und dessen Beitrag für die Ergründung desjenigen der westsemitischen Epigraphik und des Hebräischen im Alten Testament zu konzentrieren, haben wir die Arbeit an den Texten aus Alalach als einen unerwarteten, allerdings auch unerläßlichen ersten Schritt für unsere Ugarit-Arbeiten eingestuft.
Loretz, Idrimi, Dietrich (v.l.)
Nach den Angaben von D.J. Wiseman wurden die Tontafeloriginale in der Hauptsache im British Museum, London, und im Archäologischen Museum zu Antakya, Türkei, aufbewahrt - einige befanden sich auch in Oxford und Melbourne. Die Sammlung der Tafeln im British Museum, London, konnten wir en passant einsehen und bekamen zudem vorzügliche Fotos für das weitere Studium. Da es uns schwieriger und zeitaufwändiger erschien, an die Tontafelsammlung in Antakya am Orontes heranzukommen, haben wir uns vorgenommen, uns zuerst dieser zu widmen.
Mit einer namhaften Reisebeihilfe von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bad Godesberg, konnten wir im Frühjahr 1965 die Reise nach Antakya antreten: Am 20. Februar 1965 begannen wir die Fahrt nach Antakya in dem neuen Wagen (BMW 1600) von Superintendent Pastor Kurt Bergerhof, Moers, der uns freundlicherweise persönlich begleitet hat, um uns bei den Fotoarbeiten zu entlasten.
Als wir am 02. März 1965 im Archäologischen Museum zu Antakya (Hatay Arkeoloji Müzesi) mit seinen berühmten Mosaiken vorsprachen, wurden wir von der hilfsbereiten Direktorin Süheila Keskil und ihrer Assistentin Linda freundlich begrüßt. Sie wiesen uns einen Arbeitsraum zu und sicherten uns jedwede Hilfe zu. Als die Direktorin erfuhr, daß wir die von D.J. Wiseman veröffentlichten Tafeln aus den britischen Ausgrabungen in Alalach/Tell Açana am Orontes-Knie studieren wollten, empfahl sie uns überraschend, uns zuerst den Tafeln zuzuwenden, die bisher noch nicht veröffentlicht worden seien - dabei öffnete sie an einer Kommode zwei große Schubladen, in denen sie 380 bzw. 200 Tafeln samt Bruchstücken notdürftig gelagert hatte. Wir stimmten ihrer Empfehlung zu, obwohl uns klar war, daß dadurch unser Zeitplan hinfällig wurde.
Nach reiflicher Überlegung kamen wir zu folgendem Schluß: Während K. Bergerhof in erster Linie die von D.J. Wiseman veröffentlichten Tafeln photographierte, haben wir uns den überraschend auf uns gekommenen knapp 600 `neuen' Tafeln und Tafelbruchstücken gewidmet, haben diese gesichtet und kopiert. Als K. Bergerhof Antakya wegen seiner Verpflichtungen vorzeitig verlassen mußte und nach Deutschland zurückflog, haben wir neben den Kopierarbeiten auch die Fotoarbeiten an den unpublizierten Tafeln durchgeführt. Erst nach dem Abschluß aller Arbeiten an den Tontafeln, die wegen des feuchten Orontes-Klimas immer weiter zu verfallen drohten, haben wir die Rückfahrt angetreten und sind schließlich am 26. März 1965 zu Hause eingetroffen.
Unseren Plan, eine Neukopie der von D.J. Wiseman veröffentlichten Tafeln anzufertigen, mußten wir hinausschieben. O. Loretz hat diese Arbeit im Frühjahr 1966 mit einer zweiten Reisebeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Angriff genommen. Damals hat K. Bergerhof von allen wichtigen Tafeln eine zweite Serie von Photographien angefertigt, die heute als Grundlage für alle dienen, die die Alalach-Tafeln im Münster'schen Fotoarchiv studieren.
Die Digitalisierung und Aufbereitung für die online-Publikation hat Gerfrid G.W. Müller besorgt.
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